Folgender Bericht ist ein Erlebnisbericht: Erlebnisse, die
man aufgrund der „Hautfarbe“ in Afrika/Ruanda macht.
Muzungo,
Ein Wort, das ich gleich am ersten Tag von meiner Anreise
erklärt bekommen habe, als mir aufgefallen ist, dass ich von einigen Leuten auf
der Strasse angestarrt werde, gemustert, begutachtet.
„Weil du eine Muzungo bist!“
„Was ist denn Muzungo?“
„Es ist der Ausdruck für einen „Weissen Menschen“ hier in
Afrika.“
Muzungo wird hier in Ruanda gebraucht wie bei uns in Europa
noch vor 20-30 Jahren das Wort Neger: Nicht abwertend, aber differenzierend. Es
war damals normal für uns zu sagen, „das ist ein Neger“ – genauso normal es für
die Afrikaner ist, zu sagen: „Das ist ein/e Muzungo.“ Nie im Leben hätten wir
in meinem Umkreis damals das Wort Neger abwertend gedeutet, genauso wie die
Afrikaner das Wort Muzungo nicht als Abwertend einsetzen/gebrauchen.
Es wurde uns dann Mitte der Neunziger gesagt, dass das Wort
„Neger“ als abwertend empfunden wird und somit im Alltag zu vermeiden ist.
Somit ist es nun im heutigen Sprachgebrauch fast nicht mehr
zu finden.
Scheinbar gibt es einige Leute, die es nicht so toll finden, an jeder Strassenecke "Muzungo" genannt zu werden: und somit sind in einigen Läden bereits T-Shirts mit dieser Aufschrift zu finden.[1] |
Als „Muzungo“ ist man oftmals auch eine Art Statussymbol.
Viele Leute wollen in Kontakt mit einem treten.
Die allgemeine Auffassung ist: Muzungo ist reich. Muzungo
hat Geld. Muzungo kommt aus Europa: Europa ist reich, in Europa kann man alles
machen und alles haben. Es scheint, als ob ganz Afrika auf Europa (und auf
Amerika) schaut: Das gelobte Land: Das Paradies.
Das stimmt auch soweit, ist aber nur die halbe Wahrheit.
Denn genauso wie hier in Afrika muss man in Europa sein Leben managen und etwas
fürs Überleben tun. Das wird natürlich dann weniger gesehen. Für die meisten
Ruandesen ist Geld die allgemeine Lösung für alles. Medien verstärken das Bild.
Einmal, auf dem Weg zur Arbeit standen 3 Frauen am Weg,
begutachteten mich und sagten dann laut, unüberhörbar: „Muzungo!“ –
offensichtlich ohne dass sie mich dabei direkt ansprechen wollten.
Auch wenn man die Landessprache nicht beherrscht, ist es
möglich gewisse Phrasen in gewissen Situationen zu interepretieren: Im Bus
sassen auf 3 Plätzen 3 Personen, unter anderem auch ich: Somit war, nach
Ruanda- Standard, noch 1 Platz frei neben mir: Der Bus-Chauffeur deutete mit
dem Zeigefinger neben mich, als noch ein Fahrgast einsteigen wollte und sagte in
der Landessprache Kinyarwanda etwas: Das Wort Muzungo fiel ebenfalls. Ich
interpretierte: Das müsste heissen soviel wie: „ Setz dich neben die Muzungo!“
Einige junge Männer sind auf der Suche nach einer Muzungo
als Frau, das wird auch offen kommuniziert: Im Bus, auf dem Weg zur Arbeit,
herrscht mittlerweile eine Art „Rangordnung“, wer sich während der knapp 1
stündigen Busfahrt neben mich setzt, und sich mit mir unterhält. Langweilig
wird einem als „Muzungo“ nicht.
Letztens hat ein Arbeitskollege auf der Busfahrt gesagt,
dass er mal nach Europa reisen will, um sich Europa anzusehen, und: Er will
sich eine Frau dort suchen. „Ahja?“ fragte ich erstaunt. Ja, das wolle er. Aber
er wüsste nicht, ob es angebracht wäre, ob denn die Väter in Europa das
zulassen würden, wenn die Tochter plötzlich mit einem Mann aus Afrika ankommen
würde. Ich erklärte, dass es Frauen in Europa gibt, die mit einem Mann aus
Afrika verheiratet sind, und dass so etwas in den meisten Familien schon
akzeptiert wird. Seine weitere Frage war, ob es denn mein Vater akzeptieren
würde, wenn ich einen Afrikaner zum Manne hätte. --->oha. Nun wusste ich, auf was die Frage
hinausläuft. Ich antwortete: Meine Eltern müssten meine Entscheidung
akzeptieren, das wäre die allgemeine Haltung in Europa, wobei sich diese Frage
bei mir nicht mehr stelle: Ich zeigte ihm meinen Ring an meinem linken
Ringfinger, den ich bewusst, als einziges Schmuckstück trage. Sofort holte ich
mein Smartphone aus der Tasche und stellte ihm stolz meinem „Fiancé“
(Lebenspartner) vor: Einige Fotos zeigte ich ihm, um zu signalisieren: Du
kannst es ja versuchen eine Frau aus Europa zu bekommen, aber ich bin schon
glücklich vergeben.
Zufällig am selben Tag fragte mich derjenige, der auf Arbeit
für mich zuständig ist, wie ich denn die Männerwelt hier in Ruanda wahrnehme.
Ich wusste nicht auf was die Frage hinausläuft und fragte deshalb nach, was er
denn genau meint. Er erklärte mir: „Viele Männer sehen weisse Frauen als eine
Art Statussymbol. Für junge Männer sind weisse Frauen ebenfalls eine Art Ausdruck
der Veränderung in der Gesellschaft und um etwas Neues, ganz anderes zu machen.
Und Du als Weisse wirkst natürlich somit doppelt interessant für diese Art von
Männer.
Aufgrund der allgemein herrschenden Auffassung „Muzungo =
reich“ gibt es hier beim Einkaufen auch „Muzungo- Preise“. Als Muzungo zahlt
man mehr.
Letzens im Buch sass „Olivier“ neben mir: Olivier war ein
junger Mann, der mit bei mir wöhrend der Busfahrt ein Gespräch begann und
fragte, wieso ich nicht mit dem Auto fahren? Sein Englisch war sehr schlecht,
darum fragte ich nach, was er meinte: "Kauf doch ein Auto! Dann kannst Du durch Kigali fahren!"
"Aber ein Auto ist teuer- und ausserdem will ich nicht selbst mit einem Auto durch diese Stadt fahren," entgegnete ich ihm. "nein- ein Auto ist nicht teuer! Für Dich nicht! Ein Auto ist billig für Dich!" entgegnete er energisch - eigentlich gar nicht entsprechend der höflichen ein netten Art der Ruandesen.
"Aber ein Auto ist teuer- und ausserdem will ich nicht selbst mit einem Auto durch diese Stadt fahren," entgegnete ich ihm. "nein- ein Auto ist nicht teuer! Für Dich nicht! Ein Auto ist billig für Dich!" entgegnete er energisch - eigentlich gar nicht entsprechend der höflichen ein netten Art der Ruandesen.
Letztens an einer Busstation: ein behindertes, verwahrlostes
Kind bettelte um Geld (Es gibt zwar sehr wenig Bettler hier, jedoch wenn diese
eine/n Muzungo sehen, dann wird darauf zu gerannt). Ich dachte, ich gebe ihm
eine Münze. Als ich im Portemonnaie kramte, standen plötzlich weitere 3 Kinder
mit offener Hand vor mir.
Ich war überfordert mit dieser Situation. Entschied mich dann,
mit extrem schlechtem Gewissen, keinem etwas zu geben. àwo fängt es
Am nächsten Tag auf Arbeit fragte ich eine Arbeitskollegin
(Ruandesin), was man in so einer Situation tun sollte. Sie meinte: „Gar kein
Geld geben.“ Sie erklärte folgendes: Die Regierung hätte auch dahingehend schon
vor Jahren Einrichtungen geschaffen, in denen Familien mit behinderten Kindern
unterstützt würden: Hauptsächlich Bildungstechnisch: Behinderte Kinder könnten
dort lernen mit ihrer Behinderung umzugehen und es würden Möglichkeiten für
eine Eingliederung in die Gesellschaft geschaffen. Es gäbe aber immer noch
genügend Familien, die dies ablehnen und die Kinder eher zum Betteln schicken.
Veränderungen würden oftmals aufgrund mangelndem Verständnis und Bildung ungern
mitgetragen werden.
Eine weitere „Muzungo- Geschichte“ ist folgende: An einer
Busstation bettelte ebenfalls ein behinderter Junge: Er fragte bei vielen
Menschen um Geld, bis ihn dann einige Leute wegschickten, mit dem Finger auf
mich zeigten und in ihrer Landessprache etwas sagten- das Wort „Muzungo“ fiel
ebenfalls. Der Junge lief dann sofort zu mir und bettelte bei mir. Ich
interpretierte daraus, dass sie einfach sagten: „Geh doch zur Muzungo- die hat
Geld“.
Solche Situationen überfordern. Definitiv. Zum Einem, weil
ich gerne bereit wäre etwas zu geben, zum Anderen; Wo fängt man an und wann ist
Schluss. Es hört nicht auf. Und die allgemeine Meinung: Muzungo= reich= hat das
Geld= kann davon etwas abgeben.
Somit habe ich mich bisher entschieden, fremden, mir
unbekannten Menschen einfach nichts zu geben.
Zum Anderen ist ersichtlich ( gemäss europäischer
Denkweise), dass der Bezug zum Geld hier ein anderer ist, als der, den man in
Europa gelernt bekommt: Die meisten (!—nicht alle) Europäer kalkulieren und
setzen mit Mass und Ziel ihr Geld je nach Einkommen ein. Hier sehe ich, dass
viele Menschen (vor allem Männer), die zwar arbeiten und (teilweise minimales)
Gehalt verdienen, dies nach Erhalt innert ein paar Tagen ausgegeben haben.
Sobald Geld vorhanden ist, auch wenn es sehr wenig ist , wird es ausgegeben,
oftmals auch für Dinge, die im Fernsehen/Medien präsentiert werden und die dazu
dienen, sich selbst besser darzustellen (Schmuck, Make Up, Frisuren, Mode,
Leisurement)- ein gutes Gefühl zu geben, anstatt auf die essentiellen Dinge wie
Nahrung etc… zu setzen.
Dieser Umstand ist aber dann nicht sofort Lebensbedrohend,
denn Familienbande sind hier noch sehr stark ausgeprägt: Ist eine Person in der
Familie vorhanden, die ein höheres Einkommen besitzt, dann stellt es
gesellschaftlich gesehen überhaupt kein Problem dar, im Haus dieser Person mit
zu wohnen, zu Essen und zu trinken. „That’s normal, he/she has the money. He/She can give it to me!“
Das ist ein Satz der oftmals in solchen Situationen zu hören
ist. Dies ist hier auch nicht böse gemeint, es ist einfach
gesellschaftlich/kulturell fast generell so gesehen.
Der gebildete Teil der Bevölkerung, mit dem ich
beispielsweise auf Arbeit zu tun habe, sieht den Umgang mit Muzungo – und auch
den Stereotypen dahinter aus einer völlig anderen Sicht. Diese Leute haben
unter anderem in Bezug auf Geld durch Familie und Schule(wie wir auch)gelernt,
zu kalkulieren, vorausschauend zu agieren. Für mich ist es in dieser so fremden
Kultur wunderbar, Menschen zu treffen, die ihr Studium in Europa oder Amerika,
Kanada absolviert haben: denn dieses Studium hat deren Sichtweise, Denkweise
und Weltanschauung derart verändert und man kann sich somit trotz der
kulturellen Unterschiede auf einer einheitlichen Ebene begegnen und ist sich
somit nicht völlig fremd.
Die meisten „Muzungos“ hier in Ruanda sind Expats: Leute,
die für versch. Ausländische Institutionen hier nach Ruanda geschickt wurden
und arbeiten: Diese leben in einem von ihrer Institution angemieteten Haus,
haben ihre 3-4 Angestellten, fahren teure, grosse Autos. Die Mieten für diese
Häuser sind extrem überteuert und die Angestellten bekommen meist das 5-10
fache an Gehalt als Angestellte von Einheimischen Ruandesen. Es ist in Ruanda
bereits ein Diskussionspunkt, dass diese Expats Marktzerstörend wirken, weil eine
Art Ungleichheit entsteht: Dieselbe Arbeit wird mit einem extremen Unterschied
entlohnt (Beispielsweise bekommt ein Homeboy eines Ruandesen 20.000-30.000 RWF
pro Monat. Ein Homeboy eines Expats bekommt für dieselbe Arbeit zwischen
100.000 RWF und 200.000 RWF).
Ausserdem wird somit auch das Bild/Stereotype des „Muzungo =
Geld“ verstärkt. Dass diese Häuser und dieser Lebensstandard nicht von den
Expats selber bezahlt werden, wissen die wenigsten Menschen: Neid, Missgunst
untereinander sind somit ebenfalls eine logische Konsequenz: Das Gefühl weniger
Wert zu sein, ist omnipräsent.
„Wir wollen dahin wo Europa ist, endlich gleich sein wie
Europa.“ Sagte mir ein Ruandese letztens. „Ich glaube in 10 bis 15 Jahren haben
wir das auch geschafft, dann sind wir genauso wie ihr!“
Diesen Satz werde ich wohl nie vergessen: Das Augenmerk ist
extrem auf Europa gerichtet, endlich ebenbürtig zu sein, endlich gleich-wertig
zu sein. Das ist eine Haltung, deren Ursprung wahrscheinlich in der
Kolonialzeit zu finden ist.
Quellen: [1] https://karenanddeon.files.wordpress.com/2012/03/img_2282_thumb.jpg?w=518&h=390 aufgerufen am 24.8.15
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