Prüfungen = Bankett schicken!!
=
Ein Studiensemester ist vom Ablauf her wie ein Bankett für
einen Grossanlass.
Nach 3 Studiensemestern bin ich zum Schluss gekommen, dass
sich die Vorgehensweise in der Gastronomie nicht viel von der von einem
Studiensemester unterscheidet:
Gastro:
Ein Gast kommt und will einen Grossanlass mit 500 Personen
organisieren. Damit es zu diesem Grossanlass kommt sind natürlich viele
Menschen involviert. Um einen vergleichbaren Bezug herzustellen gibt es in folgender
Geschichte nur einen einzelnen Patissier.
Dieser Patissier bekommt vom Gast in einem Gespräch gewisse
Vorgaben, Grundsätze und Vorlieben vermittelt, die er beim Zusammenstellen des Desserts
beachten sollte.
Der Patissier nimmt seine Sache ernst. Er kreiert das
Dessert. Er stellt sich eine Liste zusammen, einen Ablaufplan, eine
Vorgehensweise. Weiter überlegt er sich, wie er die einzelnen Komponenten des
Desserts auf dem Teller platzieren will. Zudem muss durchgedacht sein, wie,
organisatorisch und in welchem zeitlichen Ablauf das Dessert geschickt wird.
Die 500 Personen sollten den abschliessenden Gang möglichst gleichzeitig
serviert bekommen. Ist die grobe Vorarbeit geplant muss die Planung der Details
erfolgen: Welche Komponenten des Desserts werden zuerst produziert, welche
können vorab schon tiefgekühlt (Eiscreme, Parfait?) werden, welche müssen ganz
frisch serviert(Früchte?) werden und welche müssen sogar heiss(Soufflee?) bei
Gast ankommen. Ebenfalls spricht er sich mit Fachpersonen seiner Art über
Ablaufverbesserungen ab, oder lässt sich generell Inputs zu diversen Produktionsmechanismen
geben, falls er dahingehend erweiterungsbedarf hat.
Selbstverständlich muss in jedem Ablaufplan der „Worst-Case“
miteinbezogen werden. „Was ist wenn…“. Welche Optionen gibt es, wenn alle
Stricke reissen? Man stelle sich vor, 50 schon vorbereiteten Eis-creme-Kugeln
fallen zu Boden: Hat man noch genügend Eis in Tiefkühler? Formt man vorab schon
mal 50 Kugeln mehr, um das Szenario ohne Nervenkitzel zu überstehen? Legt man
sich vorsorgehalber schon den Eis-Ausstecher bereit und hält sich 3 Mitarbeiter
parat, die „falls dieser Worst-Case eintritt“ schnell Eiskugeln ausstechen
können?
Oder wenn gar die Tiefkühlanlage ausfällt und alles Eis vorab
schon schmilzt? Sich mit Trockeneis absichern? --- STOPP! Irgendwo sind
Grenzen! Spätestens beim Ausfall der Tiefkühlanlage sollte es dann vom
Patissier heissen: „Sorry: Eis gibt’s nicht! Irgendwo gibt’s auch in der
Gastronomie Grenzen…. Auch wenn sie leicht übersehbar sind!“
Was ist wenn der Patissier krank wird? *hahaha*- so ein
unnützer Gedankengang: Krankheit gibt’s nicht: Es gibt nur Medikamente, die
einen soweit aufrechterhalten, dass man das Wichtigste noch erledigen kann!
Oh: und ich glaube, jeder, der schon mal im Gastgewerbe
gearbeitet hat, kann diese Gedankengänge nachvollziehen *hehe*
Studieren:
Dozenten (=Gast der ein
Bankett veranstalten will) geben dem Student ein ganzes Semester lang Inputs.
Der Student nimmt diese Inputs auf. Es handelt sich dabei um Vorgaben, die sich
aus den Präferenzen des Dozenten und dem allgemeinen Lehrplan zusammensetzen.
Viele Inputs sind brauchbar, manche eher weniger und der Student versucht zu
selektieren, was er davon nun annimmt, und was nicht.
Schon während des Semesters macht sich der Student immer
wieder Notizen und Zusammenfassungen vom übermittelten Stoff(=Dessert), den
einzelnen Themenschwerpunkten (=Dessertkomponenten). Weiter macht sich der
Student schon mal eine grobe Vorgabe über die Umsetzung der Themen, den Ablauf
des Vorbereitens auf eine Prüfung und dem Prüfungsablauf selbst.
Der Arbeitsaufwand pro Themenschwerpunkt wir ebenfalls
festgelegt: Wo darf man „Spicks“ zur Prüfung mitnehmen und in welchem Umfang
dürfen diese „Spicks“ ausgearbeitet (eine A4 Seite? zwei A4 Seiten?) sein? Welche
Fächer haben Open-Book-Prüfungen (das Mitnehmen aller Unterlagen ist erlaubt)?
Wieviel Prozent im Notendurchschnitt zählt ein einzelner Themenschwerpunkt auf
das gesamte Modul (=mehrere einzelne Themen, die einen groben fachlichen
Schwerpunkt abdecken. Modul = vergleichbar mit einem Dessertteller).
Ebenfalls ist abzuschätzen, was das „Worst-Case“ Szenario
sein könnte: Was ist wenn dem Studenten in der Schultasche die Wasserflasche
ausläuft, und sein Spick, für den er 14 Stunden Arbeitszeit aufgewendet hat
plötzlich unleserlich wird? Was ist, wenn der Wecker am Prüfungstag ausfällt?
Oder der Student im Zug plötzlich einschläft und somit die Ausstiegshaltestelle
übersieht? Was ist, wenn der Kugelschreiber während der Prüfung plötzlich keine
Farbe mehr hat? Oder der Student während der Prüfung in ein nervliches Loch
fällt und blockiert ist? Zusatzwecker müssen gekauft werden, Nervenpillen aus
der Apotheke geholt, Koffeintabletten, viele Kugelschreiber und der Spick
gehört nebst einer Kopie auch Laminiert!
Auf alles muss man vorbereitet sein: Und wenn alle Stricke reissen,
man während der Prüfung plötzlich einen nicht in die Überlegungen miteinberechneten
Brech-Durchfall bekommt und unfähig ist, weiterzuschreiben, muss man darauf
hoffen, dass die Dozenten Mitleid haben und Gnade vor Recht walten lassen (denn
laut Vorgaben zählt die Prüfung sobald man den Namen auf dem Prüfungsbogen hat):
Dann heisst es vielleicht (wenn man Glück hat) Prüfung nochmal schreiben – (Aber nur mit
Arztzeugnis, damit bestätigt ist, dass man Brechdurchfall hatte—ein lediglich „verschmutzter“
Prüfungsraum gilt hier noch lange nicht).
Die Vorbereitungszeit ist lange, beim Studenten, wie auch
beim Patissier. Der Nervenkitzel da. Je länger die Vorbereitungszeit, desto
schöner das Gefühl, wenn dann endlich das Bankett beginnt/der erste Prüfungstag
gekommen ist! Und dann sieht man, ob der Aufwand recht war! Ob der Aufwand zu
gross war! Ob der Aufwand zu wenig war! Die Organisation, die Vorbereitung, die
Aufnahme und Widergabe der Inputs und Präferenzen!
Prüfungen sind wie Bankett schicken!
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