Donnerstag, 19. März 2015

Zürichs beste Cremeschnitte???

Die Cremeschnitte war mir über längerem Zeitraum als ein leidiges Thema in Erinnerung:

Aber von Anfang an:
Die Zoo Restaurants GmbH besteht aus 4 Restaurants:
Restaurant Pantanal (Selbstbedienungsrestaurant mit dem Augenmerk auf Südamerika)
Restaurant "Altes Klösterli" (Bedientes Restaurant mit Spezialisierung auf traditionelle Schweizer Küche)
Restaurant "Masoala" (Selbstbedienungsrestaurant mit dem Augenmerk auf Afrika)
und das
"Zoo-Café", das kleine Aushängeschild des Zoos, hauptsächlich mit Spezialitäten aus der Region Zürich, vorwiegend in Bio Qualität und frisch zubereitetem Essen, portionsweise, direkt gekocht, vor dem Gast.

2010 fing ich im Zoo Zürich in der Zoo-Restaurants GmbH, Restaurant Masoala als Chef Patissier zu arbeiten an.

25 Jahre alt war ich damals. und nach einem Jahr trat man an mich heran, ich solle eine Cremeschnitte machen: Eine, die in der Masoala-Küche produziert wird und in alle Zoo-Restaurants geliefert und verkauft werden könnte.
In den bisherigen Küchen, in der gehobenen Gastronomie, wie dem "Dolder Grand Hotel" in Zürich, dem "The Grove Hotel" in England, "Mavida- Balance Hotel und SPA" in Österreich oder dem "Widder Hotel" in Zürich, aber auch bei "DO&CO"- Cateringfirma (weltweit tätig) hatte ich gelernt viel mit dem Tiefkühler zu arbeiten: Lediglich in der kleinen Konditorei "Neuhofer" in Mattsee, Österreich, hatte in in der Lehrzeit die Erfahrung gemacht, frische Cremeschnitte täglich herzustellen, Nach jahrelanger Prägung mit Arbeitstechniken und Abläufen in Kombination mit dem Tiefkühler war es für mich aber fast unvorstellbar so etwas in den Arbeitsalltag noch zusätzlich zu integrieren.
Die Präsentation meiner "TK-Cremeschnitte" in der Zoo Restaurants GmbH wurde ein völliger Flopp und ab diesem Zeitpunkt wurde ich zwar als "generell ganz gute Patissière" eingestuft, "aber eine gute Cremeschnitte machen, das kann sie nicht".
Das war ein "Stempel". Bei grossen Mitarbeiteranlässen, bei denen sich viele Leute trafen, die diesen Fauxpas kannten, aber auch bei kleineren Konversationen wurde dieses Thema dann scherzartig, belustigend (aber nie böse gemeint) hochgeholt: Ich schwor mir, NIE wieder Cremeschnitte zu machen.

(das war das leidige Thema-- aber, wie bei allem, folgt irgendwann eine Lösung :-D )

2012 begann ich eine Weiterbildung: Matura mit anschließendem Studium an der ZHAW in Wädenswil: Lebensmitteltechnologie. Dies beinhaltete die Kündigung der Vollzeitstelle als Patissière im Restaurant Masoala.
Seither arbeite ich im Restaurant Pantanal: einmal die Woche werden diverse Kuchen und Schnitten hergestellt: von 2 gelernten Patissiers: eine Studienkollegin und ich produzieren hunderte Stück saisonale Kuchen, jeden Samstag.

Die Gastronomie des Zoo Zürichs will den Zoo Besuchern ein abwechslungsreiches, innovatives und attraktives Angebot anbieten, Gleichzeitig will  sie einen positiven Beitrag zum Naturschutz leisten. Ebenfalls wird eine nachhaltige Rentabilität der Zoo Restaurants GmbH angestrebt. Die Gastronomie ist ein wichtiger Bestandteil eines attraktiven Zooerlebnisses.
Mit diesen Leitgedanken im Hinterkopf traten vor einigen Monaten meine unmittelbaren Vorgesetzten an mich heran und fragten mich, ob es aus meiner Sicht möglich ist, eine Cremeschnitte auszuarbeiten, die nicht nur gut ist, sondern "der Hammer", und die jeden Tag von allen Mitarbeitern  (vorwiegend ungelernte Aushilfskräfte) frisch produziert werden kann.

Vielleicht sollte es sogar die "beste Cremeschnitte Zürichs" werden!

Die Zoo Gastronomie bewirtet täglich hunderte bis tausende Zoo Besucher. Die Kunst liegt darin, Essen anzubieten, das dem Geschmack der breiten Masse entspricht und diesen größtenteils trifft. Man kann bei der Menge nicht "Alles" anbieten, keine "Sterneküche" aber man kann gute Produkte in guter Qualität anbieten, die den Geschmack der Mehrheit befriedigt.
Dies setzt aber auch eine stete Weiterentwicklung voraus. Flexibilität eines jeden einzelnen Mitarbeiters und auch der Führungskräfte, die neue Vorgaben dann mit Berücksichtigung der wirtschaftlichen Faktoren und anderer Einflüsse umzusetzen haben.
Durch die derzeitige Weiterbildung zum Lebensmitteltechnologen an der ZHAW konnte ich mein Wissen markant erweitern.
Ich konnte mir "Cremeschnitte" jeden Tag frisch plötzlich gut vorstellen: Irgendwas war plötzlich anders: Das Gefühl: "das geht nicht" war weg und wurde ersetzt durch rationale, beschreibende Gedankengänge. Von der Hochschule erworbenes theoretisches Wissen über Produktionsvorgänge, das Verhalten der einzelnen Rohstoffe unter gewissen Bedingungen bot eine weitere Grundlage meiner Überlegungen. Vor allem das eigentlich einfache, aber nun gut definierte "Herabbrechen" eines Fertigungsvorganges in einzelne, simple Produktionsschritte, die für jeden nachvollziehbar, reproduzierbar und machbar sind, war wichtig für die Umsetzung.

Mündlich wurde abgemacht, wann die Cremeschnitte "ungefähr" ausgearbeitet sei: Durch die Belastung mit dem Studium werden die Startdaten neuer Produkte meist durch mich festgelegt: Das habe ich sehr weitsichtigen Vorgesetzten zu verdanken: Meine direkten Chefs achten da sehr stark darauf, dass der Druck nicht allzu hoch wird: Vor allem in Prüfungszeiten ist diese Vorgehensweise sehr wertvoll!
Praktisch läuft das so ab, dass Vorgesetzte 3-4 Monate, bevor sie ein neues Produkt haben wollen, sich an mich wenden, mir das mitteilen, und ich dann eben diese lange Zeit für die Ausarbeitung habe.

In meinen Semesterferien war dann Zeit für das neue Projekt "Cremeschnitte"
5 verschiedene Vanillecreme - Rezepte wurden gekocht und insgesamt 17 Mitarbeiter in versch. Positionen und Abteilungen haben jeweils ihre Meinung über "die beste Vanillecreme " abgegeben. Ein Rezept bekam signifikant positive Resonanz. Dieses wurde dann als zukünftige Cremeschnitten- Vanillecreme verwendet.
Im weiteren Schritt wurde ein Prototyp einer Cremeschnitte mit der definierten Vanillecreme gefertigt.
Die erste Resonanz war:

  • Gut, aber zu Cremig, 
  • zu wenig luftig, 
  • wirkt zu schwer und 
  • bisschen zu süss, 
  • zu wenig Halt,
  • zu wenig Vanillegeschmack
Das Rezept wurde neu abgeändert, der Vanilleanteil verdoppelt, der Zuckeranteil reduziert, der Sahne- und Gelatineanteil verändert. 
Am nächsten Tag wurde ein weiterer Prototyp erstellt mit den Rezeptänderungen.


Cremeschnitte - Prototyp (mit Himbeermarmelade für den Säureausgleich)

Cremeschnitte (fast verkaufsfertig)

Cremeschnitte: Fertig zum Verkauf!

Diesmal folgte eine ganz andere Wahrnehmung: 

  • Geil- jetzt ist sie richtig gut!
  • sehr lecker- 
  • tadellos: und normalerweise esse ich nie Cremeschnitte!
Dies war natürlich sehr motivierend und es zeigte sich, dass der richtige Weg eingeschlagen war.

Jetzt ging es an die Schulung der Mitarbeiter: die Produktionsschritte der Cremeschnittenherstellung sollten so einfach sein, dass jeder ungelernte diese ohne weiteres machen kann.

Zuerst muss ich sagen, hatte ich ein bisschen Bedenken: Wer von den Mitarbeitern würde sich dafür bereit erklären? Wer hat die Motivation dies zu lernen, damit es täglich umgesetzt wird? Vorsichtig fragte ich ein paar Leute an, die sich mit Freude dazu bereit erklären die Schulungen mitzumachen. Die Resonanz war grossartig:
Sie wollten lernen! Etwas Neues! Cremeschnitte nach Baukastenmodell!

Jeden Tag wurden nun Schulungen mit diversen Mitarbeitern durchgeführt. Ein Mitarbeiter machte die Cremeschnitte und 2 schauten zu, während ich instruierte. Es wurde ein Rotationsprinzip eingeführt, und selbst diejenigen, die am Anfang Zweifel hatten, dass sie es nicht können, willigten nach 2mal zuschauen ein es auch zu versuchen.

Fotos der einzelnen Produktionsschritte wurden gemacht und digitalisiert.
Ein Plan zu Anleitung der einzelnen Schritte wurde erstellt, dieser an die Wand für jeden sichtbar geklebt, sodass die Mitarbeiter dann auch "nachschauen können", falls kurz ein Produktionsschritt vergessen wurde.

Weiter wurden die Kosten eines Stückes der Cremeschnitte berechnet, um den Verkaufspreis festsetzen zu können.

Dies geschah alles in Abwesenheit des Geschäftsführers: Dieser war im Urlaub und sollte das fix fertig ausgearbeitete System sollte eine Art "Willkommen- zurück" - Geschenk darstellen. Ebenfalls mit der Hoffnung, dass es seinen Ansprüchen entspricht, er es gut findet, und das Ganze dann von ihm abgesegnet wird. (sonst wäre alles umsonst gewesen).

Dies war dann auch so. Die Cremeschnitte wurde getestet und als gut befunden.
Die Ausarbeitung war gut, und die tägliche Produktion "Cremeschnitte frisch- jeden Tag in hoher Qualität" kann nun beginnen! (das genaue Startdatum, wann es diese nun fix gibt, wird aufgrund derzeitiger hoher Auslastung der Mitarbeiter erst später bekannt gegeben.)









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